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Karl Dove

dcj 20. Mai 2020

Karl Dove wird in dem Nachschlagewerk „Neue Deutsche Biographie“ als Geograph und Afrikaforscher geführt.[1] Von der Initiative Freiburg Postkolonial wird er als „bekannter Aktivist der kolonialen Expansion“ vorgestellt.[2] Wir wollen uns anhand Doves Geschichte damit auseinandersetzen, welchen Zusammenhang es zwischen Wissen(schaft) und Kolonialismus gab: wie koloniale Gedanken durch Wissenschaftler gestützt und verbreitet wurden.

Wissenschaftliche Karriere und Standpunkte

Karl Dove wurde 12.11.1863 in Tübingen geboren und studierte in Göttingen und Freiburg Geographie, Physik und Volkswirtschaftslehre. 1888 promovierte er über das Klima Südafrikas und bezog dabei auch wirtschaftliche Betrachtungen mit ein, wie die Region nutzbar gemacht werden könne. 1890 habilitierte er in Berlin im Fach Geographie. Anschließend reiste Dove 1892 bis 1894 im Auftrag der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) nach Deutsch-Südwestafrika. Er sollte metereologische und wirtschaftsgeographische Studien durchführen. Als Geograph lehrte er nach seiner Rückkehr in Jena, Berlin und Freiburg – davon 1899 bis 1907 als außerordentlicher Professor der Geographie an der Universität Jena.

In seinen Publikationen wird deutlich, dass er die Geographie als eine Speerspitze der Kolonialwissenschaften betrachtete. Dove bemühte sich die deutsche Kolonisation mit wissenschaftlichem Material zu untermauern und so voranzutreiben. Er arbeitete bspw. an Überlegungen zur Nutzbarmachung der Kolonien des Deutschen Reiches. In seinen Argumentationen griff er auf rassistische Kategorien zurück, um die Unterdrückung und Herrschaft über die Kolonisierten zu rechtfertigen: naturalisierende Wesensmerkmale, eine paternalistische Perspektive (Kolonisierte als „Kinder“), das Land sei bspw. für die Herero „viel zu groß“, die Kolonisten seien Opfer „wilder Stämme“ – bis hin zur Möglichkeit eines Völkermords, um „Ruhe“ in den besetzten Gebieten herzustellen:. Bei manchen „Rassen (…) braucht der Gedanke an ihr Aussterben keinerlei Sorge zu bereiten.“[3]

Kolonialer Ferienkurs in Jena

Dove lehrte in Jena gemeinsam mit anderen Anhängern des kolonialen Gedankens – wie bspw. Ernst Haeckel (Biologie) und Günther Anton (Wirtschaftwissenschaften). „Alle drei traten in ihrem Fachgebiet für den deutschen Kolonialismus ein und lieferten durch die betriebene Forschung teilweise auch Legitimationsgrundlagen für den deutschen Imperialismus.“[4] Haeckel engagierte sich vor allem im Alldeutschen Verband, der zur Förderung der Kolonialinteressen gegründet wurde und völkisch-nationalistische, rassistische und antisemitische Ziele verfolgte. Er begann bereits um die Jahrhundertwende sozialdarwinistische und rassistische Ideen zu popularisieren.[5]

An der Universität fand über Jahre hinweg koloniale Lehre statt. Heraus sticht der Versuch, auch koloniale Ferienkurse zu etablieren. Sie knüpften an die Tradition der Ferienkurse von Wilhelm Rein und Wilhelm Detmer an.[6] Der Botaniker Detmer hatte sich 1907 bei der DKG dafür eingesetzt und finanzielle Unterstützung für die Kurse erhalten, um die Bedeutung der kolonialen Ziele einer breiteren Gesellschaft zugänglich zu machen.[7] Insbesondere Lehrer*innen wurde dabei eine zentrale Rolle als Multiplikator*innen zugeschrieben, „in weiten Kreisen der Gesellschaft ‚das Verständnis und Interesse für […die] kolonialen Bestrebungen zu fördern und zu beleben.“[8] Inhalte waren beispielsweise Kolonialisierungsversuche einzelner deutscher Herrscher im 17. Jahrhundert, koloniale Technik, Telegraphie und volkswirtschaftliche Bedeutung von Kolonialbesitz. Allerdings kamen kaum Besucher*innen in die Vorlesungen 1908, sodass die DKG von einer weiteren Förderung absah.

Gelehrtenpolitik im Sinne der Deutschen Kolonialbewegung

Neben seiner wissenschaftlichen Karriere verfolgte Karl Dove, wie viele seiner Kollegen, auch explizite politische Ziele. Er war Mitglied der Deutschen Kolonialgesellschaft und auch in deren Vorstand tätig. Zudem schrieb er regelmäßig – ebenso wie Anton Günther? – für das Hauseigene Organ der DKG, die wöchentlich erscheinende Deutsche Kolonialzeitung.

Besonders deutlich wird die Verknüpfung wissenschaftlichen und politischen „Engagements“ in seiner Tätigkeit im Rahmen des Kolonialwirtschaftlichen Komitees (KWK). Auch in diesem war er mehrere Jahre als Vorstand tätig, teilweise sogar als stellvertretender Vorsitzender. Das KWK wurde 1896 gegründet und war eine zentrale Schnittstelle zwischen praktischer Kolonialbewegung und Wissenschaft. Ab 1902 beriet es auch offiziell die Deutsche Kolonialgesellschaft in wirtschaftlichen Fragen. Karl Dove galt zu dieser Zeit als etablierter und bekannter Kolonial- und Wirtschaftsgeographe, der „ mit seinem Sinn für praktische Fragen“ innovativ weiterdachte und so bspw. die medizinische Geographie mitbegründete.[9] Welche Konsequenzen seine Ansichten und Forderungen für die Menschen in den Kolonien, die Kolonisierten, hatte, blieb dabei außer Acht: Er forderte die Verstärkung der deutschen Truppen in den Kolonien u.a. für einen Überfall auf die Witboois (Teil der Nama), deren Rechte er missachtete und ablehnte. Hintergrund seiner Forderungen war stets die Ansicht, dass eine „Nachsichtigkeit gegenüber Eingeborenen […] Grausamkeit gegenüber dem weißen Manne“ sei.[10]

1907 wurde er Direktor des ethnographischen Museums Berlin, und zog sich zunehmend zurück auf seine kolonialen und wissenschaftsliterarischen Tätigkeiten. Dennoch lehrte er 1914 bis 1921 als Privatdozent wieder in Freiburg. Karl Dove versuchte in diesen Jahren – teilweise erfolgreich – insbesondere durch literarische Werke den kolonialen Gedanken populär zu machen: Das Buch Südwest-Afrika. Kriegs- und Friedensbilder wurde in die Sammlung belehrender Unterhaltungsschriften für die deutsche Jugend aufgenommen.[11] Er versuchte sich darüber hinaus auch als belletristischer Erzähler (Die Hottentottenbai, 1909). 1911 erschien eine Sammlung von Erzählungen unter dem Titel Die Kobra. Am 30.7.1922 starb Karl Dove schließlich nach längerer Erkrankung. Ein Gedenkstein erinnert noch heute auf dem Nordfriedhof an ihn.

Karl Dove lehrte (auch an der Universität Jena) sozialdarwinistische Vorstellungen und Rassentheorien und förderte gleichzeitig als Vorstand der Deutschen Kolonialgesellschaft die menschenverachtende koloniale Politik des Deutschen Reiches und deutscher Unternehmen. Als weißer Mann hatte er die Macht, Wissen zu definieren, an der Universität, in Zeitschriften, in der Politik.


Literaturhinweise

  • Flamme: Der Kolonialwissenschaftler Karl Dove und seine Zeit an der Universität Freiburg (2007), auf der seite von Freiburg postkolonial, unter: http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Dove-Karl.htm (8.10.2018).
  • Elke Harnisch: Die progressive Etablierung kolonialen Wissens im Aus- und Weiterbildungssektor des Deutschen Reiches zwischen 1884 – 1914, Köln 2015, unter: https://kups.ub.uni-koeln.de/7594/ (17.10.2018).
  • Stefan Gerber: Die Universiät Jena 1850-1918, in: Traditionen, Brüche, Wandlungen. Die Universität Jena 1850-1995, Köln/Weimar/Bonn 2009, S. 23- 269 (insbes. 229-240).
  • Raewyn Connell: Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, 4. durchgesehene und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2015.

Didaktische Hinweise

Durchführungsort

Wir verbinden die Auseinandersetzung mit Karl Dove und das Nachdenken über die Funktion von Wissensvermittlung und Wissenschaft. Das lässt sich in Jena entweder am Romantikerhaus (und am Beispiel der Philosophie) oder am Universitätshauptgebäude thematisieren.

An anderen Orten können Volkshochschulen gut als Ausgangspunkt dienen, um zu fragen, wer zu welchem Zweck koloniales Wissen vermittelt hat. Volkshochschulen sind in der Zeit um 1900 entstanden und dienten der Erwachsenenbildung. Die Ferienkurse der Universität Jena sind damit vergleichbar.

In dem Artikel Koloniale Wissenschaft finden sich zu diesem Thema weitere Gedanken und Informationen.

[1] Vgl. Otto Maull: Art.„Dove, Karl Wilhelm“, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 4, Berlin 1959, S.93, unter: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116190957.html (1.10.2018).

[2] Flamme: Der Kolonialwissenschaftler Karl Dove und seine Zeit an der Universität Freiburg (2007), auf der seite von Freiburg postkolonial, unter: http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Dove-Karl.htm (8.10.2018).

[3] Ebd.

[4] Elke Harnisch: Die progressive Etablierung kolonialen Wissens im Aus- und Weiterbildungssektor des Deutschen Reiches zwischen 1884 – 1914, Köln 2015, unter: https://kups.ub.uni-koeln.de/7594/ (17.10.2018), Hier: S. 263/264.

[5] Vgl. Stefan Gerber: Die Universiät Jena 1850-1918, in: Traditionen, Brüche, Wandlungen. Die Universität Jena 1850-1995, Köln/Weimar/Bonn 2009, S. 237. (Bei Gerber finden sich Hinweise zu weiteren koloniaistischen Kollegen der drei Wissenschaftler in Jena.)

[6] 1889 fanden die ersten Kurse an einer deutschen Universität in Jena statt. Sie sollten Lehrer*innen an neueste naturwissenschaftliche Forschung heranführen. Auch Wilhelm Rein war Mitglied des Alldeutschen Verbandes.

[7] Vgl. ebd., S. 264.

[8] Aus dem Programm der Ferienkurse, zit. nach ebd.

[9] Maull: Dove.

[10] Zit. nach Flamme: Kolonialwissenschaftler.

[11] Michael Keil: Die postkoloniale Literatur in Namibia (1920-2000), Dissertation, Stuttgart 2003, unter: https://elib.uni-stuttgart.de/bitstream/11682/5247/1/keil.pdf (11.05.2020).

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